Transcribed Shorthand

Versammlungsprotokoll, 12. Juli 1934

EA 240

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date July 12, 1934
Document Id 20126130_25_S
Available Transcriptions German

Versammlungsprotokoll, 12. Juli 1934

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA 240

[Von EA durchgearbeitet für einen Sendbrief]

Leitung des Heiligen Geistes für Dienste - Verantwortungen - Kindererziehung

Bruderschaft am 12. Juli, abends

Eberhard: Uns bewegt alle diese Tage die Frage der Führung, die Frage der Verantwortung für den Dienst am Wort, für den Dienst der Notdurft, für die Dienste der Erziehung und des Unterrichts sowie aller Vorangestellten, die für ihre besonderen Abteilungen mit einer besonderen Verantwortung beauftragt sind. Den Sinn dieser Aufträge und die einzige Möglichkeit ihrer Durchführung gilt es neu zu fassen, obgleich wir ihn schon oft bezeugt haben.... Stets haben wir alle den falschen Weg der Suggestion verworfen. Suggestion ist die Übertragung des Willens des einen auf den Willen anderer, so daβ ein Gemütsstrom von dem einen auf den anderen ausgeht. Die Suggestion ist in Predigt und Pädagogik überall weit verbreitet. Wir verwerfen sie für alle unsere Dienste, so auch für den Lehrer- und Hortnerdienst, in dem für die Kinder die ganze Gemeindeaufgabe zusammengefaβt ist: die Aufgabe des Dienstes am Wort und des Haushalters ist hier angewandt auf die Kinder. Wie steht es nun mit der Kraft für den Wortführerdienst in der Gemeinde, wenn nicht Suggestion und nicht Willenseinfluβ geltend sein soll? Eine Lösung dieser Frage gibt es nur im Glauben an den Heiligen Geist im allerletzten Heiligtum Jesu Christi. Es gibt keine andere Antwort! Auch die Jugendbewegung gibt sie nicht. Sie möchte, daβ der Führer seine Stellung in den Herzen der Kinder für das Gute

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einnimmt. Wie soll das aber möglich sein ohne die Leitung des Heiligen Geistes? Sind wir Menschen dazu imstande? Auch wenn wir die besten Menschenkenner wären, genügte das, um das wahrhaft Beste im Herzen des Kindes jetzt zu erfassen und die Gefahr des Bösen sofort anzufassen und zu bekämpfen? Können wir das mit den eigenen Kräften des Guten? Eine solche Pädagogik ist ein menschlich unerreichbares Ideal! Erst durch den Glauben an den Heiligen Geist setzt die wahrhaftige Führung des Dienstes ein. Es geht hier um dasselbe, um welches es uns in der Gemeindestunde geht: daβ wir im innersten Lauschen auf den Heiligen Geist, daβ wir im innersten Geöffnetsein für das Ereignis Gottes einig werden.

Indem wir alle das werden, sowie das in unser aller Herzen offenbar wird, muβ einer da sein, der es ausspricht und zur Tat führt. Dieser Dienst ist nötig für alle Lebensgebiete! Ob es im Kinderunterricht, ob es in der Ackerarbeit, in der Küche, auf der Fahrt oder sonst irgendwo sei. Wenn wir wirklich Verantwortung haben, wenn wir sie in der Küche, in der Schreibstube und im Stall und auf der Wiese haben, wo es auch sei - überall müssen die Verantwortlichen vom Heiligen Geist geleitet werden. Dieser innere Instinkt des Heiligen Geistes geht immer und überall in gleicher Weise auf das gleiche Ziel zu: daβ nämlich das Bild der Gerechtigkeit und Liebe Jesu und ihrer Reinheit, das Bild der völligen Wahrheit Gottes und Jesu Christi auf allen Lebens- und Arbeitsgebieten klar in Erscheinung trete. Deshalb bekommt der zur Verantwortung beauftragte Mensch Blick und Auge für die Gefahr, die

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sich diesem Bild Christi entgegenstellen will und es verdrängen will durch irgendetwas Antichristliches. Gleichzeitig bekommt der verantwortliche Mensch ein Sprechen durch den Heiligen Geist für das, was im anvertrauten Kreis vor sich geht, wo es auch sei: in der Landwirtschaft, bei Groβen und Kindergruppen, in der Bruderschaft und überall. Nämlich diese innere Schau geht so vor sich: Was jetzt in den Herzen der anderen für Christus und sein Reich angeregt wird, was dafür dort wach ist: dem haben die Verantwortlichen Ausdruck zu geben in Wort und Tat. Dem Strom, der aus dem rein herzgemäβen Gefühl in die Wirklichkeit treten will, der die Dinge und die Vorgänge tragen will, gibt der Wortführer und der Erzieher Weg und Aufgabe. Anders ist es keine rechte Führung. Wenn man nicht an den Heiligen Geist glaubt, ist man für diesen Dienst verloren. Das möchte ich für die neuen Aufgaben hier wie drüben allen innigst ans Herz legen, daβ uns das wirklich und wesenhaft von neuem geschenkt wird. Dazu müssen wir Gott bitten und uns selbst entleeren lassen in der Beseitigung aller Dinge, die im Wege stehen. Je länger wir uns bei uns selbst aufhalten, umsomehr verscheuchen wir den Heiligen Geist. Der Geist Christi will uns von unseren Fehlern erlösen. Das bedeutet, daβ wir sie nicht mehr empfinden, daβ wir nicht mehr daran denken, daβ wir nur noch an Gottes Sache denken, uns nur noch mit dem beschäftigen, was die Anregung des Heiligen Geistes in allen ist, was nunmehr von dort aus nach dem rechten Ausdruck durch Wort und Tat verlangt. Das bezieht sich auf alle Glieder der Ge-

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meinschaft, wirklich auf alle, zuerst freilich auf den Wortführer, dann auf die anderen Verantwortlichsten, zuletzt aber auf einen jeden und alle. Es ist uns allen klar, daβ es hierbei nicht auf den guten Willen allein ankommt, sondern auf das Geschenk des Geistes von oben. Der eigene Wille wird in diesem Erleben auf seltsame Weise verschwinden, nicht durch Selbstvergewaltigung, sondern so, wie die Finsternis vor dem Licht entschwindet. Es geschieht, daβ der eigene Wille hinausgeht, weil das Licht eindringt. Dadurch wird der Mensch nicht etwa apathisch; sondern die Kraft des Lichtes ist in ihm. Ihn, den Befreiten, macht die Kraft des Willens Gottes stark. Das muβ erlebt werden. Wir haben es alle erlebt, und wir müssen Gott bitten, daβ wir es immer und immer wieder erleben. Der Heilige Geist will es in uns so licht machen, daβ wir nicht nur dem folgen, was er in uns selbst offenbart hat, sondern daβ wir weiter schauen und zugleich empfinden und erfassen, was derselbe Geist gerade jetzt und hier in den anderen Gliedern der Gemeinde, auch besonders in den kindlichsten unter ihnen anregt und in Bewegung bringt. Fast möchte ich sagen: Für den Dienst am Wort und für den ihm verwandten Lehr- und Hortdienst bei den Kindern ist es wichtiger, in den anderen die gerade in diesem Augenblick wirkende Stimme und Lichtwerdung und die durch sie in den anderen jetzt und hier erstehende Bewegtheit wahrzunehmen und zum klärenden Ausdruck zu bringen, als auf das eigene Herz zu achten. Der Dienst am Wort hat wie alle anderen Dienste des Geistes zuerst und vor allem die innere und äuβere Situa-

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tion der ganzen versammelten Schar, ihre Geistesatmosphäre und den göttlichen Sinn ihrer Anregung und Bewegtheit zu erfassen. Und wenn die kleine Schar dieser bewegten Luft einen ungeschickten, vielleicht einen allzu seelischen oder kindischen, vielleicht gar einen nicht wirklich entsprechenden oder widerspruchsvollen Ausdruck verleiht, so ist ja eben der von Gott und seiner Gemeinde gesetzte Dienst dazu da, jenen klaren Ausdruck des Wortes und der Tat für die gegebene Atmosphäre zu finden, jenen Ausdruck, zu dessen entsprechender Gestaltung die unreiferen Glieder noch nicht die genügende Fähigkeit haben, der aber doch auf das Genaueste eben das Heilige trifft, was ihre Herzen unausgesprochen und ungetan bewegt und erfüllt. Das erscheint mir geradezu als das Wesentlichste jener wahren Führung , die dem Dienst am Wort und allen anderen Vorangestellten aufgetragen ist.

Aber ich muβ nun wohl endlich zum Schluβ zu kommen suchen. Vielleicht erscheint es auch bei mir als ein noch widerspruchsvoller Ausdruck, daβ ich einmal von aller Selbstbetrachtung zur Sache und zur Arbeit aufrufe und daβ ich zugleich noch einmal das Abwegige der vergangenen Monate ins Licht zu rücken suche. Die Auflösung dieses Widerspruches sehe ich darin, daβ die Selbstbetrachtung erst dann aufhören kann, wenn man von ihr erlöst ist, und daβ zu dieser Erlösung auch die völlige Klarstellung gehört. Ohne diese können wir keinen Abstand gewinnen. Wie kommt es nur, daβ die einst geschenkte Erlösung und Befreiung wieder in so hohem Grade wie verloren gegangen erschien? Diese Frage darf ich be-

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sonders an Dich, geliebter Hannes Vetter [Hans Boller] und an Deine geliebte Else richten. Letztlich meine ich mit dieser Frage die Aufforderung, an Jesus Christus zu glauben. K. [Kathrin Ebner] meinte gestern, sie hätte immer den Eindruck gehabt, daβ Du mit dem Ostererlebnis des Rhönbruderhofes nicht fertig geworden seiest und deshalb die Monate auf dem Almbruderhof die Osterbuβe fortgesetzt habest. Das Ziel aber Osterns war Ostern! Was ich dir und Deiner Else wünsche und erbitte, ist der Oster-Glaube. In ihm werdet Ihr unserem Hans Zumpe in allen Dingen beistehen können. Hat er doch mit seiner Familientrennung ein groβes, von uns allen nicht vorgesehenes Opfer gebracht und bringen müssen. Fast ebenso schwer habt Ihr beide es mit der abermaligen Trennung von Euren so lieben Töchtern. Praktisch rate ich, daβ Du, lieber Hannes Vetter, als Hauptarbeit des Tages die Führung und persönliche Mitarbeit in der Landwirtschaft, vielleicht eines Gespannes, übernimmst, und daneben im Dienst am Wort Hans Zumpe auf das gläubigste und treulichste zur Seite stehst. Unsere Arbeits-und Sachberichte füge ich in einer besonderen Anlage von 12 Blatt bei, ebenso einen kleinen Auszug aus unserem Überblick über die Lage der Kindergemeinde und ferner einen treuen Bericht (10 Seiten) von unserem A.[Adolf Braun]. Ich hoffe, damit euch Lieben nun so viel Klärung zugesandt zu haben, wie sie unseren schwachen Kräften möglich ist, so daβ ich mich nun endlich dem Innenland von neuem widmen kann. Die hier anhebende Befreiung wird gewiβ durch Eure Antworten ihre Krönung finden. Nehmt die in diesem vielen Papier zu erkennende Bemühung als das, was sie ist, als schwachen Ausdruck einer starken Liebe, die mich und uns

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alle zu einem jeden von Euch beseelt. So umarme ich Euch mit treuen Grüβen an alle unsere Geschwistriget als Euer Mitdiener an der Wahrheit und an der Liebe.