Transcribed Shorthand

Versammlungsprotokoll, 29. Mai 1934

EA 229b

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date May 29, 1934
Document Id 20126130_09_S
Available Transcriptions German

Versammlungsprotokoll, 29. Mai 1934

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA 229b

Siedlung Ziegelwald bei Eisenach

29. Mai 1934

Nach einer vorausgegangenen Aussprache in der Bruderschaft über die Eisenacher Siedlungen mit den neuen Gliedern unseres Bruderhofes, welcher vorher zur Siedlung Ziegelwald gehörten, gab Eberhard folgende kurze Zusammenfassung:

Eberhard: Wenn ich meine Eindrücke zusammenfassen darf: Ich kenne ja nur unseren lieben Bernhard Jansa, aber die ganze Entwicklung des Eisenacher Kreises habe ich nicht mit erlebt. Mein Eindruck ist deshalb so erschütternd, weil ich sehe: hier ist eigentlich ein Wunder im Anbrechen gewesen. Das ist nicht irgendeine gleichgültige Sache gewesen. Das was Bernhard versucht hat, ist nicht ein unbeachtliches Unterfangen gewesen, sondern, da ist sowohl Bernhard, wie allen etwas ins Herz gegeben worden, was eine Wunderwirkung des Geistes Gottes ist. Ein Sollen, eine Sehnsucht, bei-

- - -

nahe eine Willenseinheit, beinahe ward ihr schon Willenseinige.

Das ist so überaus selten, dass man nur staunen kann, dass das in der Nähe von Eisenach gewirkt worden ist.

Und ich möchte euch bitten, wenn ihr auch traurige Erfahrungen gemacht habt, dass ihr trotzdem die Ehrfurcht behaltet und Ehrerbietung vor dem Wunder, dass da etwas gewirkt war. Das Dunkle soll überwunden werden, das ist richtig; aber es hat keine reinigende Wirkung, wenn der Kampf nicht in Ehrfurcht geführt wird. Es kommt auf diesen Kampf an. Es kommt darauf an, dass das Licht so entscheidend offenbar wird, dass die Finsternis nicht mehr zur Regierung kommen kann; dass sie sich wohl noch hier und da breit machen kann, aber dass sie nicht mehr eine breite Macht darstellt.

Es ist ein Dämmerlicht zwischen Christ und Anti-

- - -

christ, zwischen Wahrheit und Kirche. Eine Mischung zwischen dem Mammonsgeist des Kapitalismus und dem inneren Willen den Ärmsten zu helfen. Das ist eine gefährliche Situation.

Und ich habe eine große Hoffnung, dass gerade die Gefährlichkeit dieser Situation herausfordert: dass Gottes Liebe, Gottes Interesse sich einer so überaus gefährlichen Situation zuwenden könnte, und gerade weil dort alles so gegeneinander wütet, dass noch einmal ein großer Gnadendurchbruch, eine Umstellung für die Gerechtigkeit des Reiches Gottes kommen könnte. Das würde uns alle unendlich freuen. Aber es kann auch sein, dass der entscheidende Zeitpunkt versäumt wird, und dass die Gelegenheit vorübergleitet, und nur noch eine Erinnerung zurückbehalten wird, die wohl groß, aber auch sehr bedrückend sein wird.

- - -

In der vorausgegangenen Aussprache, die sehr schlecht und lückenhaft übertragen war, konnte noch folgendes entziffert werden:

Pfarrer Otto, Bernhard Jansa und Joseph Lieser, die beiden Führer, sind nicht einig in Glaubensdingen.

Alle drei aber haben, jeder in seiner Weise, ihre Dankbarkeit bezeugt und begrüßen es sehr, dass einige mit zum Bruderhof gegangen sind. Wir hoffen, dass noch recht viele von der Siedlung Ziegelwald, die etwas verspürt haben, diesen Weg finden möchten.

Es ist klar zum Ausdruck gekommen, dass der Weg der Gemeinschaft der Bruderschaft in der Siedlung Ziegelwald vorläufig nicht gegangen wird.

Wir sehen nicht unseren Bruderhof als einen Idealtyp des Lebens an.