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Versammlungsprotokoll 11. August 1929

EA 29/08

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date August 11, 1929
Document Id 20125980_14_S
Available Transcriptions German

Versammlungsprotokoll 11. August 1929

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA29/08

Versammlungsprotokoll 11. August 1929

Am Sonntag, den 11. August 1929 morgens 9 Uhr und abends 5 Uhr versammelte sich die Bruderschaft und das Noviziat (der Kreis der neuen zur Erprobung aufgenommenen Glieder) zu einer Besinnung auf die Bedeutung des gegenwärtigen Augenblicks für die Zukunft des Bruderhofes. Es waren über dreißig Personen zusammen, die für den Willen der Gemeinde offen standen und sich ohne Ausnahme an der Klärung folgender Punkte beteiligten.

1. Es gilt die Glaubensgrundlage unseres Hutterischen Bruderhofes beständig zu verstärken und zu vertiefen. Wir brauchen die immer erneute Sammlung stiller Stunden, in welchen der heilige Geist der Gemeinde zu uns spricht und die volle Einheit als die Kraft des gegenseitigen Dienstes herstellt. Wir brauchen eine immer tiefere Einführung in die Bibel. Die Ehrfurcht vor der Gemeinde, vor der heiligen Sache des Reiches Gottes soll in diesen Stunden bei allen, auch bei den anwesenden Gästen und Helfern, geweckt und verstärkt werden. Nach der anstrengenden, teilweise sehr überanstrengten Frühjahrs- und Sommerarbeit erkennen wir den gegenwärtigen Augenblick als einen Wendepunkt, an dem wir wieder mehr Zeit und Kraft und Frische für die Dinge des Geistes gewinnen müssen.

2. Die Tatsache, dass wir dem Huttertum und unseren amerikanischen Hutterischen Brüdern immer näher gekommen sind, dass wir uns mit ihnen von uns aus schon völlig vereinigt wissen, bedeutet eine tiefe Dankbarkeit gegen Gottes gnädige Führung. Denn wir verdanken den Hutterischen Schriften und Tatsachen ihrer Gemeinde Gottes eine unendlich reiche Klärung und Förderung. Es wird deshalb auch diesmal festgestellt, dass die Reise Eberhard Arnolds, sobald es irgend tunlich ist, unternommen werden soll, damit wir von den Gemeinden in Süd-Dakota, Manitoba und Kanada angenommen und aufgenommen und für unseren Dienst an Deutschland gesegnet werden können.

3. Die Ordnungen der Hutterischen Brüder, die uns unser geliebter Elias Walter in drei verschiedenen Büchern aus Amerika zugesandt hat, kamen in dem rechten Augenblick zu uns, als wir gerade dabei waren, die Grundlage unseres gemeinsamen Lebens, seinen Aufbau und seine Ordnungen niederzuschreiben. Beides gehört für uns unlösbar zusammen, da wir die Führung

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Gottes in den Ordnungen unseres Gemeindelebens in völliger Übereinstimmung mit den alten Ordnungen der Hutterischen Brüder wissen und feststellen. Die Gemeinschaft organisch gefügter Ordnung, wie wir sie im ersten Abschnitt unserer Niederschrift „Grundlage, Aufbau und Ordnungen“ bekannt haben, soll dazu führen, dass alle Glieder der Bruderschaft und des Noviziates und alle aufrichtig entschlossenen neuen Glieder der Zukunft zu ihrer Berufung und zu bester täglicher Arbeitsleistung gelangen. So wird denn erneut festgestellt, dass die Hutterischen Dienste bei uns ebenso notwendig sind, wie auf jeder alten Haushabe in Mähren und wie auf den heutigen Hutterischen Bruderhöfen. Wir brauchen eine feste Konzentration der Arbeitsführung. Der Wortführer, Diener am Wort, der alles übersieht und verantwortet, soll an seiner Seite die Hausmutter, den Haushalter und den Arbeitszuteiler oder Arbeitsverteiler haben. Jedes einzelne Arbeitsgebiet hat seine besonderen Vorangestellten, die der Bruderschaft angehören.

4. Wir besinnen und von neuem darauf, dass unsere Verschuldung und Armut uns in den letzten Monaten vor eine Katastrophe gestellt hatte, die wir nur durch das Wunder der Gnade Gottes überstehen konnten. Wir danken Gott und Seiner Gemeinde für die Hilfe, die wir von deutschen und schweizerischen Freunden, von der Regierung unseres Staates, durch die Arbeitskraft unserer Gemeinde und vor allem durch die Hutterischen Brüder in Amerika erfahren haben. Wir sind dankbar, dass es sich um ein allmähliches Überwinden dieser Katastrophe handelt. Wir danken Gott, das uns nicht durch eine einmalige sehr große Summe geholfen worden ist, sondern dass wir dadurch erzogen worden sind, dass die Hilfe in vielen kleinen Summen zu uns kam. Wir stellen fest, dass uns die Katastrophe in gemilderter Schwere auch weiterhin bedroht, so dass wir Gott und Seine Gemeinde um solche weitere Unterstützung bitten müssen. Nachdem die Zwangsversteigerung des Werkhofes, die für den 9. August 29 angesetzt war, am 25. Juli 29 gelöscht ist,

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bedroht uns jetzt durch den Zahlungsbefehl des Hauptlieferanten in Bau-Materialien für das 1928 gebaute Kinderhaus, in Höhe von 8000,- M die Ansetzung eine erneuten Zwangsversteigerung. – Gleichzeitig erneuern wir unseren Entschluss in Übereinstimmung mit Elias Walter, dass keine neuen Schulden mehr gemacht werden dürfen, dass die Schulden bei den Gläubigern, die uns keinen längeren Kredit mehr gewähren wollen oder können, völlig bezahlt werden müssen, ehe wir etwas Neues unternehmen, was neue Geldausgeben erfordert. Diese Feststellung aber hält uns nicht von der Erkenntnis ab, dass der zahlreiche Besuch unserer Gäste und Freunde, das Wachstum unseres Noviziats und seiner Neu-Anmeldungen den weiteren Ausbau und Aufbau des Bruderhofes so kategorisch fordern, dass wir darin den Willen Gottes erkennen. Es muss Kapital geschafft werden, und es soll für alle Arbeitsgebiete ein sorgfältig erwogener Etat und Voranschlag aufgestellt werden.

5. Für die Aufgaben unserer Arbeit ist uns klar, dass immer mehr völlig hingegebene Menschen für die Sache gewonnen werden sollen. Unsere Landwirtschaft mit Garten, unser kunstgewerbliches und unser produktives Handwerk, unser Verlag und Büro und unsere Hauswirtschaft braucht eine Verstärkung durch zuverlässige tüchtige Arbeitskräfte. In der Heranziehung der Gäste und Helfer in die Arbeit ist es von größter Bedeutung, dass alle in wirklicher Liebe und Klarheit in die Gemeinde-Entscheidung hineingeführt werden, dass sie alles hinter sich lassen, um mit ihrer ganzen Kraft dem Reich Gottes zu leben. Nur bei starker Einsetzung möglichst zahlreicher und tüchtiger Kräfte kann die Ernährung für unseren großen Kreis geschafft werden, wobei wir besonders dankbar sind, dass nach manchen Entbehrungen sich in der letzten Zeit durch die oben erwähnte Hilfe unser Ernährungs- und Versorgungszustand gebessert hat. Die volle Einheit soll auf allen Arbeitsgebieten als gegenseitiges Vertrauen und Zutrauen,

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als offenes Wort direkter Anrede, auch im Sinne der Gemeindezucht, auch bei kleinsten Verfehlungen als gegenseitiger Dienst in Kraft bleiben, auch in der praktischen Hilfe der gegenseitigen Arbeitsabnahme, und zwar in Bescheidenheit und Demut und Zartheit; und dennoch in voller Entschiedenheit und Bestimmtheit.

6. Dieser Aufbau und Ausbau unserer Arbeitsgemeinschaft trifft in diesem gegenwärtigen Augenblick mit dem Willen der Gemeinde zusammen, dass durch Eheschließungen, die von der Gemeinde aus und in die Gemeinde hinein beschlossen und bestätigt werden, ein neues Volk gerufen wird, dass, wenn Gott Gnade gibt, hier für kommende Generationen und Geschlechter ein Völkchen entsteht, das ganz und für immer der Gemeinde Gottes und dem Reich Gottes im Gehorsam des Glaubens und der Arbeit dient. Es ist uns ganz klar, dass auch dieser Entschluss, den wir vor Gott gefasst haben, jenen weiteren Ausbau unserer Wohnungs- und Arbeitsmöglichkeiten erfordert, wie es in Punkt 5 festgestellt ist. Es wird mit großem Dank gegen Gottes Führung festgestellt, dass dieser Entschluss zur Gemeinde-Ehe unserer jüngsten Generation bei der feierlichen Verlesung unserer Grundlage im Fackelring so zur Geltung gekommen ist, wie es dem heiligen Ernst und der Würde der Gemeinde entspricht.

7. Auch in unserer Kinder-Gemeinde stehen wir an einem entscheidenden Augenblick, in einer Periode, in der, nachdem vor 1 ½ Jahr Hans Grimm und Hardy Arnold und vor einem Jahr Emmi-Margret Arnold als die ersten den Unterricht unserer Kindergemeinde verlassen hatten, um für den Bruderhof ausgebildet zu werden, die oberste Stufe unserer Schule den Unterricht verlässt, um für das Gemeindeleben und die Gemeindearbeit bereitzustehen und ausgebildet zu werden. Es wird festgestellt, dass nur diejenigen größeren Kinder auf dem Bruderhof bleiben können, die auchdie Glaubensgrundlage, den Aufbau und die Ordnung der Gemeinde Gottes aufrichtig annehmen und bezeugen können. Für die mittleren und unteren Klassen wird aufs dringendste dasselbe wach werden des göttlichen Eifers und der göttlichen Liebe gefordert, das wir in den jetzigen obersten Klassen seit

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Jahren erlebt haben. Die erziehlichen Aufgaben unserer Lebensgemeinschaft sollen in unseren Gemeindezusammenkünften in der nächsten Zeit und besonders im Winter stärker als bisher zur Geltung kommen. Eberhard Arnold erhält den Auftrag, die Schulordnungen der Hutterischen Brüder für diese Aufgabe so bald als möglich zu beschaffen.

8. Von der ganzen Gemeinde wird von neuem betont, dass der einstimmige Gemeindebeschluss, dass die Aussendung des Wortführers Eberhard Arnold in Kraft treten soll, noch dieses Jahr betätigt werden muss, und zwar nach Möglichkeit unter Begleitung eines weiteren Gliedes der Bruderschaft. Wir stehen deshalb in diesem Augenblick für den kommenden Winter in großen Entscheidungen, dass wir alle für diesen Dienst nach außen durch den Dienst nach innen heranreifen und erstarken. Es wird mit Dank gegen Gott immer wieder betont, dass die große Schar der Gäste und der Helfer, die uns in den letzten Tagen etwa neunzig gleichzeitig anwesende große und kleine Menschen auf dem Bruderhof zählen ließ, diesen Gotteswillen der Aussendung bestätigt, und dass vor allem die langsam wachsende Zahl der Neuanmeldungen so auch der neuen fünfköpfigen Familie Kunzelmann sowie der starke Besuch der Verwandten und Freunde ein Zeichen Gottes ist, dass wir zur Verkündigung der Wahrheit, zum Aufwecken der Welt und zum Sammeln der glaubenseifrigen Neulinge bestimmt und berufen sind. Wien und Halle sollen die ersten Punkte sein, an denen diese missionarisch-evangelistisch aufweckende und sammelnde Wortverkündigung einzusetzen hat.

(Anfang) Das Neuerscheinen der Wegwarte, wobei wir besonders an Andreas Ehrenpreis‘ Sendbrief und an die Grundlage unserer Erziehung zurückdenken, die Herausgabe der Hutterischen Schriften, deren Lesung schon jetzt in unserer Mitte die größte Kraft und Förderung bedeutet, wofür wir Elias Walter ewig dankbar bleiben werden, die Sammlung der Lieder und Gesänge, für die die Hutterischen Liederbücher grundlegend sind, das Schreiben unserer zehnjährigen Geschichte im Zusammenhang mit unserer Niederschrift „Grundlage, Aufbau und Ordnungen“, die Durchführung der „Quellen christlicher Zeugnisse ….