Eberhard Arnold

Männer Machen Die Geschichte.

[Arnold, Eberhard and Emmy papers – P.M.S.]

EA 15/33

Männer Machen Die Geschichte.

Die furchtbaren Leiden dieses Weltkrieges haben viele veranlaßt, ihren ganzen Groll auf einzelne Männer, als auf die Anstifter dieser blutigen Not zu werfen. Und sicher wird Gott alle die zur Verantwortung ziehen, die in irgendeiner Weise die Entstehung dieses Krieges zu betreiben suchten.

Es wäre jedoch kurzsichtig, wollte man meinen, daß einzelne Männer imstande wären, ein solch welterschütterndes Ereignis wie diesen Krieg aus eigener Machtvollkommenheit heraufzubeschwören. So große geschichtliche Ereignisse sind vielmehr wie ein mächtiger Baum mit tausend Wurzeln im Boden der Vergangenheit verankert. Dieser Weltkrieg hat tiefere Ursachen als die Bosheit weniger führender Männer. Es ist das gewaltige Ringen aller bösen Kräfte gegeneinander und gegen das Gute, welches immer wieder den Krieg notwendig macht.

Aber jeder Baum bringt seine Frucht. Die einflußreichen Männer, die bei der Entstehung dieses Krieges mitgewirkt haben, sind die Frucht jenes Baumes, der in dem bösen Urgrund französischer Rachsucht, russischer Herrschbegier und englischen Neides gewachsen ist. Böse Zeiten bringen ihre bösen Männer hervor. Und die starke Abwehr des Bösen läßt plötzlich die Großen in den Vordergrund treten, die nun als Verkörperung der Heldenkraft zur Führung berufen sind.

Als Ostpreussen von den Russen überflutet war, als sich ihre unübersehbaren Scharen bis nahe an die Grenzen Schlesiens ergossen, da schaute man nach dem Manne aus, der dieser Lage gewachsen war, der die begeisterten Verteidiger des Vaterlands mit weitumfassendem Blick und gesammelter Energie zum Siege führen sollte. Und er ist gekommen. Er wurde unserm Volke von Gott gesandt. Hindenburg wurde fertig mit der überwältigenden Übermacht wohlausgerüsteter Massen. Und ebenso wie hier im Osten hat Gott in dieser Zeit an alle entscheidenden Punkte die rechten Männer gestellt, und hat durch diese Männer die Geschicke gelenkt, wie er es wollte, und wie die Zeit es erforderte.

Und so ist es zu allen Zeiten gewesen. Er hat seinem Volke den Simson gegeben, sobald es ihn brauchte. Er hat die Propheten gesandt, wie es die innere Lage erforderte. Und diese Männer waren es, die die Geschichte des Volkes lenkten, und die den Höhepunkt der Geschichte bezeichneten. Ein Bismarck mußte dem deutschen Volke in dem Augenblick erstehen, in dem seine inneren Kräfte auf Entscheidung drängten, in dem es zur Entstehung des Reiches kommen mußte. Luthers gewaltige, bestimmende Persönlichkeit mußte in einem Augenblick in die Geschichte eingreifen, in dem alles reif geworden war für die große Entscheidung gegen ein entartetes Christentum, gegen die Weltherrschaft der römischen Kirche.

Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott Seinen Sohn. Es lag etwas in jener Zeit, das das Auftreten Jesu gerade damals und an keinem anderen Punkte der Geschichte notwendig machte. Die alten Religionen lagen im Sterben. Israel war unter die Herrschaft Roms gekommen. Die ganze damalige Menschheit dürstete nach Erlösung und Wiedergeburt. Da kam Jesus. Und er lenkte die Geschichte. Er bestimmte die Geschicke von Jahrtausenden. Es ist eine Zukunft nahe, in der wir alle mehr als je zuvor erkennen werden, daß das Wirken und Leiden Jesu bestimmend bleiben muß für alle Ewigkeiten.

Die jetztige Weltkatastrophe, in der die Friedensträume und die Kulturideale aller Menschheitsschwärmer begraben sind, hat es gezeigt, wie unmöglich es ist, eine Reinigung, eine Besserung und Erhöhung des Menschentums zu erreichen, ohne den einen Mann, der sie allein auszuwirken vermag. Es sind nicht nur die unmöglichen internationalen Friedensvorstellungen der Sozialdemokraten, welche durch diesen Krieg zerschmettert worden sind, sondern es sind alle die vergeblichen Hoffnungen auf den allmählichen Fortschritt der Menschheit und auf ihr selbstverständliches Wachstum aus sich selbst heraus, die in dem ehrlichen Erleben dieser großen Zeit zur Auflösung kommen. Es ist etwas Großes um die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden, wie sie in den letzten beiden Menschenaltern in besonderer Stärke durch die Völker ging. Wir haben alle Ursache, dieses tiefe Verlangen nach Welteinheit und Völkerfriede, nach dem Lebensglück und der Gerechtigkeit als ein Kennzeichen anzunehmen, daß die Zeit nahe ist, in der diese hochgespannten Erwartungen ihre Erfüllung finden müssen. Aber die Geschichte beweist es, daß dies nicht möglich ist ohne den einen Mann, der allein die Gerechtigkeit, den Frieden und die Freude verkörpert hat.

Es ist Jesus, der mitten in der Geschichte der tosenden Weltkriege die Geschichte Seines Friedens macht. Zu allen Zeiten hat Er Menschen gefunden, die darin eingewilligt haben, daß Er das Geschick und die Geschichte ihres inneren und äußeren Lebens bedeutete. Immer wieder hat sich durch die Wüste der gigantisch aufgetürmten toten Felsmassen des Durcheinanders dieser Welt der Friedensstrom ergossen, der in Seinem Geist lebendig ist, und der in das große Meer des Friedens mündet, welches Sein Reich bedeutet, das uns immer näher rückt. Wer an diesem Strome wohnt, kennt die Oase in der Wüste und hat die Kraft für seine Seele, allen Stürmen Widerstand zu leisten.

Es ist die Geschichte des Reiches Gottes, die wie ein goldener Faden die scheinbar so wirren Geschicke der Völker durchwebt, bis die Sonne hervorbricht und auch das Dunkelste mit ihrem Gold über strahlt. Um in der Geschichte der Menschheit festen Fuß zu fassen, um nicht von den wechselnden Ereignissen hin- und hergerissen zu werden, um nicht in den Schrecknissen so schwerer Zeiten wie der unsrigen den Boden zu verlieren, gilt es, im Reiche Gottes Wurzel zu fassen. Hier kann die Geschichte nicht mit uns machen, was sie will. Sondern wir machen die Geschichte. Denn wir wirken mit an dem, was allein Bestand und die gesicherte geschichtliche Zukunft hat: an dem Reiche Gottes und an Seiner Gerechtigkeit.

Jesus hat es gesagt: "Gleich wie Du mich gesandt hast in die Welt, also sende auch ich sie in die Welt". Sobald in Ihm selbst unser Leben und unsere Geschichte den Mittelpunkt gefunden hat, sobald Er die Kraft unseres Daseins geworden ist, macht Er uns zu Seinen Gesandten, zu Männern und Frauen, die als Sein Zeugnis Geschichte machen. Sein Geist ist es, der die Geschichte unseres Lebens in zwei Hälften teilt. Er macht aus unserer Ungerechtigkeit die Gerechtigkeit, die Jesus an Seinem Kreuz erwirkt hat, aus unserm Unfrieden den Frieden mit Gott, den Er erschaffen hat, aus unserm Unglück die Freude, die Sein lebendiger Einfluß uns bringt. So wird das Reich Gottes die Geschichte unseres erneuerten Lebens, als Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist.

Jesus ist das Reich Gottes. Wo Er zur Herrschaft gelangt, kommt Gott zur Verwirklichung Seines Zieles. Das Reich Gottes ist nichts anderes als die Verwirklichung des Willens des Höchsten. Und Sein Wille ist gut. ER will die Geschichte der Menschheit zu dem einen Ziele führen, an dem sie von allen Kämpfen zum Frieden gelangt, an dem sie alle ihre Glieder mit ungetrübter Freude erfüllt, an dem sie sich auswirkt in lebendiger Betätigung vollkommener Gerechtigkeit.

Jesus ist das Ziel dieser Geschichte. Er hat durch Sein erstes Kommen auf die Erde das Reich Gottes als den goldenen Faden in die Menschheit hineingeworfen, in dem jeder Erlösung und Befreiung findet, der sie sucht. Und er wird durch Seine Wiederkunft das Reich Gottes als den Sonnenaufgang über die Erde bringen, vor dem alle Finsternis weichen muß.

Aber das ist das Geheimnis des Reiches Gottes, daß diese Morgenröte nur von dem finstersten Augenblick der Geschichte aus geschaut werden kann. Es ward Nacht, als Judas den Herrn verriet. Die Sonne verfinsterte sich, als Er starb. Es war die Stunde und die Macht der Finsternis (Luk.22,53), als der Herr ergriffen und für das Kreuz überliefert wurde. Es kam die Nacht, in der der Eine Sein Wirken in den Tod gab und damit das größte Werk vollbrachte, das jemals geschaffen wurde: die Erlösung der alten Menschheit, die Schöpfung des neuen Menschentums, den Anbruch des neuen Tages der Geschichte, die Morgenröte des Reiches Gottes.

[Berlin, Dr. E. Arnold]